In China ist ja bekanntermassen vieles groß. Natürlich das Land an sich, die Zahl der Menschen dort, und auch viele Dinge, die es dort gibt. Seit Neuestem gilt das auch für die Rolle, die China im internationalen Fussball spielt. Der neue Trend scheint ja zu sein, dass nun Spieler aus Europa für sehr viel Geld nach China wechseln. Und weil das alles so ist und ich die Tage mal in China war, musste ich mir das natürlich einmal aus der Nähe ansehen. Das Spiel auf das die Wahl gefallen ist, war Shanghai Greenland Shenhua FC – Shijiazhuang Ever Bright FC.
Auswahl gab es in dem Sinne allerdings nicht, da auf meinen anderen Stationen keine Heimspiele der jeweils ansässigen Mannschaften stattfanden. interessant ist diese Wahl aber durchaus: Der Heimverein ist Gründungsmitglied der China Football Association Super League (bzw. dem Vorläufer, C League); beide gibt es seit 1994. Man könnte – auch wenn der Verein im Laufe der Zeit unterschiedlichste Eigentümer gehabt hat – also sagen, dass es sich um einen Traditionsverein handelt, auch wenn diese Debatte hier aber vermutlich niemanden interessiert. Im Moment ist es Greenland, eine Immobilienfirma; von den 10 höchsten Gebäuden der Welt wurde die Hälfte von diesem Konzern gebaut. Der Firmenname ist nun offizieller Teil des Namens und wird auch in den Medien so verwendet – die Fans waren davon nicht sehr begeistert und haben sogar dagegen protestiert (vielleicht ist das mit der Tradition doch anders als ich dachte?). Von diesen
ganz teuren Spielern spielt hier im Augenblick zwar niemand, vermutlich ist Demba Ba dem einen oder anderen noch ein Begriff; der ist jetzt hier; vor ein paar Jahren spielte der Mal in Hoffenheim. Ach ja, Didier Drogba war auch mal hier, aber nur kurz.
Also auf zum Stadion, sehr bequem mit der U-Bahn zu erreichen; in der U-Bahn dann schon die ersten Leute mit schicken blauen Trainingsjacken. Am Stadion angekommen, gleich gegenüber von einem, natürlich, großen Einkaufszentrum, noch viel mehr Leute mit schicken blauen Trainingsjacken. Unsere Karten abgeholt, einmal kurz im Fanshop vorbeigeschaut – interessanterweise keine T-Shirts oder Schals (die scheint man irgendwo anders kaufen zu können, im Stadion gab es nämlich ganz viele davon), nur Trikots und, man ahnt es, schicke blaue Trainingsjacken.
Und dann im Stadion: im Prinzip alle Menschen hier tragen schicke blaue Trainingsjacken. Es scheint die hier jedes Jahr in neuer Auflage zu geben, die aktuelle hat auf dem Rücken den Aufdruck “Shanghai” – allerdings in so einem “alten” Schrifttyp (was habe ich über Tradition gesagt?). Mein Favorit ist die aus dem letzten Jahr, die habe ich mir dann bei Taobao gekauft, dem chinesischen Ebay.
Das Stadion ist ebenfalls relativ gross (26.000 Plätze), zu gut 80% gefüllt. Dies bedeutet dass ca 21.000 junge Menschen anwesend waren. Gut 500 waren dabei Fans der Gäste – nicht schlecht, da es ein Spiel am Sonntag Abend war und die Anreise gut 1200 Kilometer lang war, allerdings war an dem Montag ein wichtiger Feiertag.
Dies bringt mich zu einem weiteren Punkt: die Menschen die im Stadion waren, waren junge Menschen (in schicken blauen Trainingsjacken). Es scheint hier insgesamt so zu sein, dass sich die Gesellschaft teilt; das hat mit diesem wahnsinnigen Wandel zu tun, den das Land durchgemacht hat. Im Stadion (oder auch in modernen Museen und den Einkaufszentren) sind viele junge Menschen; die alten Menschen sind anderswo. Die jungen Menschen im Stadion standen während des ganzen Spiels (es standen wirklich alle), und das obwohl es gar keine Stehplätze gibt. Angefeuert wurde im übrigen auch aus allen Bereichen des Stadions, nicht nur aus ausgewählten Bereichen und angefeuert wurde wirklich viel. Diese jungen Menschen nehmen das sehr ernst und sind sehr engagiert. Viele Fanclubs scheint es auch zu geben, die zum Teil sehr interessante Referenzen machen, z.B. “Curva Sud” war auf einem der Transparente zu lesen. Die Fans werden allgemein als “der blaue Sturm” bezeichnet und gab es sogar ein Transparent mit deutscher Aufschrift: Sturmabteilung. Ich würde aber einfach einmal davon ausgehen, dass man sich der Bedeutung dieses Begriffes nicht bewusst ist. Irgendwo gab es auch ein Transparent mit dem Begriff “Ultra”, besonders aufgefallen sind die aber nicht. Und die altehrwürdige Laola-Welle schwappte auch durch das Stadion!
Irgendwann war dann Halbzeit und alle hatten es eilig aus dem Innenbereich herauszukommen. Da ich zur Toilette musste war ich gleich besorgt, dass es eine lange Schlange gibt. War aber nicht so. Es ist auch nicht so, dass sich alle Bier geholt haben; das gibt es nämlich nicht, zu kaufen gab es nur Joghurtdrinks und Fruchtsäfte. Nein, alle sind aus dem Innenraum raus um zu rauchen. Das darf man da nämlich nicht und fast alle haben sich auch daran gehalten.
Das Spiel ging übrigens 3:1 für die Gastgeber aus. Demba Ba hat drei Tore gemacht und sogar noch einen Elfmeter verschossen. Man sieht schon, dass das Team sehr stark von ihm abhängt, er war klar der beste Spieler.
Nach dem Schlusspfiff trafen sich beide Teams im Mittelkreis, bildeten eine Reihe und man schüttelte einander die Hände – sehr ordentlich. Das Heimteam hat dann noch ausführlich mit den Fans gefeiert, Stadionrunde und diese Welle, die man ja so macht.
Welches Fazit ziehe ich jetzt? War ein sehr schöner Abend. Alles sehr interessant. Demba Ba schießt viele Tore. Und meine neue Trainingsjacke mag ich sehr.
Shenhua!