U.C. Sampdoria – S.S. Lazio 1:1
Stadio Luigi Ferraris, Genua (Italien), 31. August 2022
Publikum: 18.499

Genua war mein nächstes Ziel. Besser gesagt unser nächstes Ziel, denn es waren wieder alle meine Kinder am Start. Nach dem wirklich wunderschönen Fußballabend in La Spezia nur vier Tage vorher (ich berichtete bereits), sollte es nun zum U.C. Sampdoria Genua gehen. Wieder Serie A.

Zwei Jahre vorher, in etwa zur gleichen Zeit, war ich bereits einmal auf einen Abstecher in Genua gewesen. Schon damals hatte mich alteheide auf den U.C. Sampdoria aufmerksam gemacht und mir von der freundschaftlichen Bande von St. Pauli- und Sampdoria-Ultras berichtet. Immer auf der Jagd nach einem neuen Ground im Ausland und mit einem Faible für reine Fußballstadien mitten in der Stadt war ich damals schon ziemlich angefixt. Zu gern wäre ich zu einem Heimspiel gegangen. Aber, altes Problem: Sommerpause!

Dass zu Beginn unseres Urlaubs die Serie A in eine Englische Woche starten würde, war uns schon bei den Recherchen zum Spiel in La Spezia aufgefallen. Auch, dass Sampdoria am 4. Spieltag, Mittwochabend, zuhause gegen Lazio antreten würde. Die Idee da hinzufahren blitzte kurzeitig auf, wurde aber Aufgrund der zu großen Strecke von ca. 120 km erstmal wieder verworfen, um sie schließlich nach dem ersten Top-Erlebnis im Stadio Alberto Picco wieder aufzugreifen. Es war klar, diese Gelegenheit wird so schnell nicht wieder kommen, wir MÜSSEN da hin!

Um den Stadionbesuch diesmal ein bisschen entspannter angehen zu lassen, habe ich uns bereits Stunden vor Anpfiff bei einem italienischem Onlineticket-Anbieter mit vier Sitzplatzkarten eingedeckt. Kreditkarte sei Dank kein großes Problem. Ein kleines Problem schon eher der fehlende Drucker. Den hat man ja in der Regel nicht im Urlaub dabei. Aber auch dafür gab es eine Lösung. Die sehr nette Dame an unserer Rezeption war so freundlich und druckte mir die Tickets aus. Hierfür nochmals ein herzliches „Grazie“! Es war also angerichtet. Gekleidet in St. Pauli-Merchandise (mal sehn ob was dran ist an der Fanfreundschaft) machten wir uns gegen 15 Uhr auf den Weg Richtung Genua. Entlang der Küste, immer wieder mit herrlichem Blick auf´s Meer. Voller Vorfreude erreichten wir nach knapp eineinhalb Stunden die Stadt. Um 11,- € für die Autobahnmaut erleichtert kämpften wir uns, wieder unterstützt vom Navi, durch den Feierabendverkehr. Straßensperren rund ums Stadion inklusive. Parken in Stadionnähe nicht möglich. Also stellten wir unseren Wagen knapp 1,5 km entfernt an den Straßenrand und machten einen schönen Spaziergang in Richtung Stadion. Immer schön entlang am Flussbett des Bisagno, in dem sich kein Tropfen Wasser befand, wo sich die Wildschweine mit ihren Nasen im Müll wühlend aber sichtlich wohlfühlten. Da lag es schließlich vor uns: Das Stadio Luigi Ferraris. Auf den ersten Blick nicht als Stadion zu erkennen, so gut fügte es sich äußerlich in die Häuserfronten der umstehenden Gebäude ein. Bei genauerer Betrachtung ließen die vier Türme in den Ecken allerdings keine Zweifel aufkommen, dass es sich um das Stadion handelte. Wir mussten einmal drum herumlaufen, um zu unserer Tribüne zu gelangen. Der Gang endetet aber kurz vorm Ziel an einer Polizeisperre. Es ging erstmal nicht weiter. Der Grund war nicht ersichtlich, die Sache sollte sich aber nach ein paar Minuten aufklären:

Der Mannschaftsbus von Sampdoria war hautnah an uns vorbeigefahren, verschwand in den Katakomben des Stadions, und die Polizei gab den Weg wieder frei. Richtig unspektakulär war nun der Zutritt ins Stadion und wir konnten uns zum ersten Mal ein Bild davon aus der Nähe machen. Es hatte schon einen kleinen maroden Charme. Nicht mehr so ganz taufrisch, obwohl gerade einmal erst 32 Jahre alt. Für die WM 1990 wurde das alte Stadion, welches sich an dieser Stelle schon seit 1911 befand, abgerissen und neu gebaut. Die sanitären Anlagen, so könnte man beim Anblick aber meinen, wurden vom alten Stadion übernommen. Anders konnte ich mir die Ausstattung und den Zustand nicht erklären. Fotos davon habe ich gemacht, behalte ich aber besser für mich. Bin ja kein Sensationsreporter. Wir wollten uns auch auf Fußball konzentrieren und suchten unsere Plätze im Oberrang der Tribüne hinterm Tor auf. Gegenüberliegend der Heimblock. Gute Sicht auf das Spielfeld und trotzdem sind wir später noch ein paar Reihen nach oben gewandert, um das Geländer nicht im Blickfeld zu haben. Wir waren sehr zeitig dran, das Stadion noch ziemlich leer. Nur die Anhänger aus Rom zu unserer Rechten im Gästeblock auf der Haupttribüne waren bereits zahlreich anwesend und sangen sich schon mal warm. Tolle erste Eindrücke. Ich war schon jetzt froh, hergefahren zu sein.

  

   

So langsam füllten sich auch noch die anderen Ränge. Ganz voll wurde es aber nicht. Wie schon in La Spezia, nicht ausverkauft. Eigentlich schade. Kurz vor Anpfiff wurde ein Lied laut über die Stadionlautsprecher eingespielt. Ob es die Hymne der U.C. Sampdoria war, konnte ich nicht herausfinden. Die Leute im Stadion haben es aber lautstark mitgesungen. Ein wirklicher Gänsehautmoment. Die Mannschaften machten sich derweil auf dem Platz warm. Zuletzt noch mit Torschüssen, und dabei gab es dann höchst Erstaunliches zu beobachten: Bälle, welche das Tor verfehlten und durch die nicht gerade schmalen Zwischenräume zwischen Fangnetz und Haltestange geschossen den Weg in den Block dahinter fanden, verschwanden nach kurzem Gerangel unter den dort wartenden Leuten, zumeist Kids oder Jugendliche, in Rücksäcken, unter T-Shirts oder Sonstigem, in das ein Ball passte. Ich konnte es nicht fassen. Einmal im Publikum gelandet war der Ball weg, und ich muss sagen, das waren nicht wenige. Was noch erstaunlicher war: Dieses Kuriosum sollte sich während des Spieles fortsetzen. Ball auf der Tribüne, Ball weg! Wenn das hier immer so sein sollte, hat Sampdoria auf jeden Fall einen extrem hohen Ballverschleiß. Das erklärt vielleicht auch den schlechten Tabellenplatz (Stand 17.10.22), weil zu wenig Kapital für gute Spieler?

18:30 Uhr, Anpfiff. Zu Beginn gab es noch etwas orangebraunen Rauch im Heimblock. Passend zur Fassadenfarbe des Stadions. Wir wendenten unsere Aufmerksamkeit dem Geschehen auf dem Rasen zu. Unione Calcio Sampdoria, entstanden durch die Fusion der Vereine SG Sampierdarenese und SG Andrea Doria (hach, was für tolle Namen) im August 1946, geriet ziemlich schnell unter Druck. Lazio übernahm erstmal das Zepter. In ihren Reihen Ciro Immobile. Der dürfte manchem noch ein Begriff aus seiner Zeit beim BVB sein, in der er damals aber nicht wirklich überzeugen konnte. Eben dieser Immobile war es dann auch, der nach knapp 20 Minuten Lazio in Führung schoss. Es hatte sich abgezeichnet. Der Mob im Gästeblock tobte. Ich verstehe kein Italienisch, aber was von da so gebrüllt wurde war glaub ich nix Freundliches. Spielerisch ging nicht viel zusammen bei den Blucerchiati, wie das Heimteam auch genannt wird. Dennoch kamen sie zum Ende der ersten Hälfte besser ins Spiel und man hatte sogar den Eindruck da könnte noch was gehen. Tat es aber nicht. Zwischendurch flog noch ein Ball in den Lazio-Block, welcher auch auf dubiose Weise verschwand und nicht wieder den Weg zurück auf das Spielfeld fand. Halbzeit!

  

In der Pause beim Toilettengang erreichten uns erste „St. Pauli“-Rufe. Ich vermute allerdings, dass es sich bei den Rufenden ebenso wie bei uns um deutsche Touristen handelte, welche auch gewisse Sympathien für unseren FCSP hegen. Ich habe nicht versucht es herauszufinden. Wenig später ging es weiter mit Halbzeit Zwei. Mit Einbruch der Dunkelheit machte sich auch noch Flutlichtstimmung breit. Wunderbar! Spielerisch allerdings ein ähnliches Bild wie in der ersten Hälfte. Lazio weiterhin mit Übergewicht. Sampdoria, stets bemüht und nicht aufgebend, vereitelte die ein oder andere Torchance des Gegners und kam zuweilen auch zu ganz guten Möglichkeiten für einen Torabschluss. Doch es wollte nicht klappen. Zur Abwechslung segelte dann wieder ein Ball linker Hand von uns in die oberen Reihen der Gegengerade. Ein graumelierter Herr mit Oberlippenbart reagierte am schnellsten und zack, verschwand der Ball unter seiner Jacke. Das scheint hier echt normal zu sein?! Wir für unseren Teil hatten uns derweil schon innerlich auf die 0:1 Niederlage der Blucerchiati eingestellt und waren ein bisschen traurig. Aber wieder einmal sollte sich zeigen, dass es immer Sinn macht bis zur letzten Sekunde, bis zum Abpfiff die Hoffnung nicht aufzugeben. Quasi mit dem Schlusspfiff gelang Manolo Gabbiadini, zuvor in der 70. Minute eingewechselt, der viel umjubelte und letztlich auch verdiente Ausgleichstreffer. Und das auch noch genau vor unserer Nase. Die Freude war groß! Nicht nur bei den Tifosi um uns herum, sondern auch bei uns. Im Gegensatz zum Lazio-Block, da war es recht still geworden. Die Enttäuschung über den Punktverlust greifbar. Nur Sekunden später war es auch schon vorbei. Wir sind nach dem Abpfiff noch ein paar Minuten auf unseren Plätzen sitzengeblieben und haben die Stimmung und Atmosphäre auf uns wirken lassen.

Mit vielen tollen Eindrücken und einem weiteren Ground-Point in der Tasche verließen wir schließlich das Stadio Luigi Ferraris und spazierten in Begleitung vieler doch recht zufriedener Menschen in Richtung Innenstadt. Hier und dort kam es zu spontanen Feiern an den Straßenecken. Selbst vom Roller aus wurde gejubelt und mit den Fahnen gewedelt. Kurz vor Ankunft am Auto „verabschiedete“ mich noch ein Sampdoria-Fan mit einem schallenden „Forza St. Pauli!“. Grandios! Knapp eineinhalb Stunden später und nochmals um 11,- € Autobahnmaut erleichtert erreichten wir wieder unseren Urlaubsort. Tagesausklang bei eisgekühlten Birra Moretti. Das war es an diesem Tage alles wert und was will man mehr? Perfektes Urlaubsprogramm!

 

 

Ballverluste der besonderen Art
Markiert in:                         

3 Gedanken zu „Ballverluste der besonderen Art

  • Dazu eine sensationelle Anekdote vom MONO-Günter:

    >>
    in dem Stadion war ich 1990 bei der WM,
    Spiel Irland vs. Russland
    bin in der Verlängerung/ 0:0 eingeschlafen
    und wurde erst nach dem Elferschießen (!!) geweckt mit der Bitte das Stadion zu verlassen .
    unvergesslich,
    an jeder Ecke der Stadt – Iren, Iren , Iren ………………

    hab ein „Schweinegeld“ fürs Ticket gezahlt,
    Partie war dann aber komplett öde,
    also nicht zu Unrecht eingeschlafen.
    hab dann auch nicht wirklich viel verpasst – 0:0 nach Ende der Verlängerung .
    zum Elferschiesen hätte man mich dann aber schon wecken dürfen !!
    Stadion wirklich genial gelegen,
    Mitten in der Stadt.
    <<

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.