Man muß natürlich noch abwarten wie sich die Dinge nun entwickeln, es ist aber möglich dass sich eine Wachablösung im schottischen Fußball andeutet. Seit die Rangers vor ein paar Jahren aus der ersten schottischen Liga abgestiegen sind, war die Situation ja eindeutig: Celtic wird Meister. That’s it. Seit etwas mehr als einem Jahr läuft es aber irgendwie nicht mehr so. Da sie ja Meister werden, ist es für den Verein sehr wichtig in der Champions League dabei zu sein. Es hat da in der Vergangenheit wohl so einige magische Nächte gegeben wie man so schön sagt. Naja, und sonst würde den Fans ja auch langweilig werden. Letztes Jahr hat es mit der Qualifikation dann aber nicht mehr geklappt, vielleicht habt Ihr das verfolgt, diese peinliche Geschichte mit der hohen Niederlage gegen Warschau, die aber für zwei Minuten oder so einen nicht spielberechtigten Spieler auf dem Platz hatten. Auf diesem Wege weitergekommen und dann gegen Maribor ausgeschieden. Naja. Dann also die Liga gewonnen und in der Europa League ganz achtbar gespielt, Gruppenphase überlebt. Diese Saison dann wieder nichts mit Champions League. Aus gegen Malmö – nicht ganz so peinlich, aber jede Menge Gegentore nach Standardsituationen. Also wieder Europa League. Wie sieht es aber in der Liga aus?

 

Da gab es gestern das Spiel in Aberdeen. Bei denen läuft es seit 2 Jahren ganz hervorragend. Es gibt einen neuen Trainer, der sehr vieles richtig macht. Vor 2 Jahren wurden sie in der Liga Dritter, letztes Jahr Zweiter, mit noch recht großem Abstand. Dem Verein wird langfristig auch helfen, dass ein Mäzen oder so die Vereinsschulden getilgt hat, 15 Millionen Pfund oder so, falls ich das richtig verstanden habe. Und nun dieses Spiel gestern.

 

Aberdeen hatte die ersten fünf Spiele der Saison gewonnen, Vereinsrekord egalisiert, ein Nachholspiel wird es noch geben. Celtic hat von den ersten sechs Spielen fünf gewonnen und ein Unentschieden. Diese ganze beschriebene Entwicklung zusammengenommen: es gibt also die Hoffnung dass die Liga ein wenig spannender wird. Und dann gewinnt Aberdeen gestern 2:1. Völlig verdient. Mit am Ende 10 Mann. Hier der Elfmeter zum 1:1.

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In der Abwehr hat Aberdeen ein paar Mal gewackelt, sonst war aber alles im Griff. Und Celtic? Wirklich schlecht. Uninspiriert und in der zweiten Halbzeit überhaupt nicht mehr präsent. Später Siegtreffer, 2:1, großer Jubel.

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Ich finde es sehr amüsant diese Entwicklung zu verfolgen. Wie dieser große Verein Celtic seinen Vorsprung einzubüßen droht. Und ich wäre wirklich ziemlich verärgert gewesen, wenn die das Spiel gestern doch noch irgendwie gewonnen hätten, unverdientermaßen. So, und mit meiner Perspektive von hier möchte ich noch sagen, dass ich diese Beziehung zwischen St.Pauli und Celtic nie verstanden habe. Historisch mag Celtic ja etwas wie ein Underdog gewesen sein, keine Ahnung. Aber jetzt? Ein großer Verein mit relativ viel Geld. Ja, Tradition, aber was für eine? Religion spielt ja eine wichtige Rolle, ich glaube, Priester haben oder hatten freien Eintritt im Stadion.

Und überhaupt: Rangers ist letzte Saison in der 2.Liga stecken geblieben. Und irgendwie haben die immer noch Probleme mit ihrem Geld oder irgendwelchen Leuten, die etwas zu sagen haben oder glauben etwas sagen zu haben. Meine Meinung ist dass es überhaupt kein Problem ist, wenn sich nicht wieder das „alte Gleichgewicht“ einstellt. Ach, diese Tradition. Ich finde es viel spannender, wenn etwas Neues passiert. Vielleicht passiert es gerade jetzt.

 

Wachablösung im schottischen Fußball?
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2 Gedanken zu „Wachablösung im schottischen Fußball?

  • „So, und mit meiner Perspektive von hier möchte ich noch sagen, dass ich diese Beziehung zwischen St.Pauli und Celtic nie verstanden habe. Historisch mag Celtic ja etwas wie ein Underdog gewesen sein, keine Ahnung. Aber jetzt? Ein großer Verein mit relativ viel Geld. Ja, Tradition, aber was für eine? Religion spielt ja eine wichtige Rolle, ich glaube, Priester haben oder hatten freien Eintritt im Stadion.“

    Da muss ich als passionierter Celtic-Fan mal Licht drauf werfen: Celtic war immer ein Underdog – nicht in sportlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht, sondern in sozialer und politischer Hinsicht.
    Im Ausland wird der Konflikt immer nur auf den religioesen Aspekt reduziert, Rangers=Protestant/Celtic=Catholic, das war’s, Beweisfuehrung abgeschlossen. Das ist aber viel zu kurz gegriffen. Das ist lediglich ein Aspekt, und der ist ansich auch nicht unbedingt religioes. Was die Leute von ausserhalb nicht verstehen: die Begriffe protestant und catholic gehen in Grossbritannien und Irland weit ueber die rein religioese Bedeutung hinaus. Im Prinzip sind das eher Symptome eines tiefergehenden Konflikts. Natuerlich wird das jeweils gerne als Etikett und Kampfbegriff benutzt, aber in Wirklichkeit geht es bei der ganzen Angelegenheit nicht wirklich um Religion.
    Viel entscheidender ist: die Rangers sind Unionisten und Monarchisten, wir sind Separatisten und Republikaner. Die grosse Masse der Rangers befuerwortet Monarchie, die Union mit England und generell die Oberhoheit Englands im UK und die britische Herrschaft in Nordirland (am liebsten natuerlich wieder in ganz Irland, aktuell aber nur Teilen Ulsters). Die grosse Masse der Celtic-Fans lehnt Monarchie ab, befuerwortet eine Republik, schottische Unabhaengigkeit und den Anschluss Nordirlands an die Republic of Ireland inklusive Abzug aller britischen Truppen und Hoheitssymbole. Die Rangers sind der Club des britischen Establishments, der Royal Family und der Queen, der British Army, der Tories und des Orange Orders; und damit eben auch der dominanten, zahlenmaessig klar ueberlegenen und etablierten protestantischen Kirche. Und als solche sind sie natuerlich explizit anti-katholisch. Das ist fast entscheidender, sie sind nicht einfach protestantisch, sondern gezielt anti-katholisch und anti-irisch.
    Als Katholik war man in Grossbritannien frueher automatisch Aussenseiter und oppositionell. Katholiken wurden diskrimiert und waren von vielen Bereichen des Lebens ausgeschlossen. Dadurch haben sich natuerlich auch soziale und politische Grenzen gebildet ueber die Jahrhunderte. Die vermoegende Oberschicht war seit jeher fast ausschliesslich protestantisch, die Konservativen, die diesen Status Quo gerne beibehalten wollten (logischerweise), waren immer protestantisch gepraegt. Katholiken hingegen gehoerten praktisch ausschliesslich dem Prekariat, der einfachen Working Class und dem Lumpenproletariat an. Und im Glasgow des 19. Jahrhunderts rekrutierte sich jenes vorwiegend aus irischen Einwanderern. Die schwere Hungersnot, die Irland ab 1845 heimsuchte (The Great Famine) fuehrte zu einer massiven Auswanderungswelle, und die Aermsten, die sich die Ueberfahrt nach Amerika nicht leisten konnten, endeten vorwiegend in den britischen Industriestaedten an der Westkueste: Manchester, Liverpool, Glasgow. Bis heute, zusammen mit London, die UK-Staedte mit dem hoechsten irischen Bevoelkerungsanteil.
    Und da liegt eben der Hase im Pfeffer begraben: der eigentliche Grund fuer diesen Hass auf Katholiken und Iren ist einfach nur Rassismus und Futterneid, das sind die gleichen Debatten wie heute, wo auch viele panische Angst vor einer Flut von Einwanderern haben, die „die Arbeitsplaetze und die Frauen wegnehmen“. Der krasse soziale Gegensatz zeigt sich auch in der Gruendung der Old Firm: der Rangers FC wurde 1872 von Studenten gegruendet, also Mitgliedern des (natuerlich protestantischen) wohlsituierten Buergertums. Celtic hingegen entstand als Wohltaetigkeitsverein in den Armenvierteln des East Ends, wo fast nur katholische Iren wohnten. Ein Priester (Brother Walfrid) der katholischen Gemeinde im East End – damals echte Slums – kam auf die Idee, einen Fussballclub zu gruenden, um damit Geld zu sammeln fuer die Suppenkuechen und Schulen im Viertel. Natuerlich wurde der Verein schon bald professionalisiert und ist heute laengst ein kommerzieller Profiverein wie alle anderen, aber da liegen tatsaechlich die Urspruenge. Von daher war Celtic von Anfang an der Club der Armen, der Asozialen und des Prekariats, und hatte von Anfang an diesen katholischen Touch und eine sehr starke irische Praegung. In Ablehnung dazu sammelten sich die protestantischen, antiirischen und britisch-loyalen Elemente um den grossen Konkurrenzclub – die Rangers.
    Bemerkenswert ist hierbei, dass Celtic dabei aber nie exklusiv katholisch oder irisch war. Der Verein wurde zweifellos davon gepraegt, aber es war schon immer so gedacht, dass der Club offen fuer alle sein sollte und das soziale Element nicht vergessen werden sollte (ist auch heute noch ein wichtiger Faktor in Celtics Identitaet). Waehrend sich die Rangers im Laufe der Jahre radikalisierten und sich immer mehr zu einem konservativen, exklusiv protestantischen und explizit britischen Club entwickelten, wurde Celtic im Laufe der Zeit eher offener. Heute ist es sogar so, dass man die Anhaengerschaft von Celtic als eher links und die der Rangers als eher rechts bezeichnen kann. Sehr viele Celtic-Fans verstehen sich als klar antifaschistisch, der Club bemueht sich im Inklusion und Diversitaet und legt Wert auf seine sozialen Wurzeln und das „a club open to all“. Die Rangers Supporters verorten sich ueberwiegend als konservativ, kronloyal und mehr britisch als schottisch, offen rechts oder extrem rechts ist nur ein kleiner Teil, aber der Grundtenor ist schon klar konservativ, pro-englisch und anti-irisch. Der Rangers FC selbst als Verein bemueht sich heute aber auch um mehr Inklusion und versucht, gegen Diskriminierung, Gewalt und sectarianism anzugehen, das wollen wir nicht vergessen!

    Aber daher kommt eben diese Freundschaft zwischen Celtic und St. Pauli – es sind beides eher linke, antifaschistisch gepraegte Clubs/Fanszenen, beide haben eine Geschichte als soziale Underdogs und beide rekrutieren ihre Identitaet und ihre Fans eher aus ideologischen und kulturellen Beweggruenden, und weniger aus sportlichem Erfolg oder nur rein geographischen Gesichtspunkten. Wenn ich zu Celtic gehe und irgendwann rauskommt, dass ich deutschen Ursprungs bin werde ich uebrigens auch permanent auf St Pauli angesprochen, genau so auch wie hier in London in meinem lokalen Celtic Pub. Das wird nach wie vor sehr ernst genommen und gelebt, und St Pauli geniesst groessten Respekt in der Celtic Community. Ihr seid noch viel mehr The Rebel’s Choice als wir, und dafuer lieben wir euch! Cheers!

  • Hey Matt, unglaublich, dieser Kommentar ist sicher länger und ziemlich sicher auch fundierter als alles, was wir auf dem idiotensport je veröffentlicht haben! Cheers mate!
    Fast zu schade dafür, in den Kommentaren zu einem uralten Artikel versteckt zu werden, auf einer Seite, deren Leserschaft maximal zweistellig ist…

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