Wenn man im Sommer Familienbesuch aus dem Ausland hat und, wie an anderer Stelle bereits gesagt, dieser Sommer ein Kracher ist, dann hat man endlich einmal Zeit Dinge zu tun, die man sonst nicht schafft zu tun, weil man woanders ist. In diesem Fall ist es ein Besuch der Highlandspiele, genauer gesagt, das Braemar Gathering.

Highlandspiele sind Veranstaltungen, bei denen Wettbewerbe in verschiedensten Sportarten stattfinden, die irgendwie schottisch sind. Und das ist ein grosser Spass. So gibt es zum Beispiel “weight over the bar, one-handed”, “tug-o-war”, “putting stone” oder auch “caber toss”. Neben diesen gibt es dann auch noch “konventionellere” Wettbewerbe im Hochsprung, Sprint oder Mittelstreckenlauf. Ach ja, Sackhüpfen (für Kinder) sowie einen Lauf den nächstgelegenen Hügel hinauf und wieder runter (ca 5km, 400 Höhenmeter) gibt es auch. Über einige dieser Sportarten berichte ich jetzt.

  

“weight over bar, one-handed” ist eine Disziplin, die zu den sogenannten “heavy disciplines” gehört. Eigentlich sagt der Name schon was passiert: kräftige junge Männer stehen rücklings vor einem Gerät, dass an Stabhochsprung erinnert, also so eine Latte, die auf einem Gestänge liegt. Sie nehmen dann ein Gewicht, welches mit einem Handgriff ausgestattet ist, da gibt es verschiedene Klassen, mit einer Hand und schleudern es nach hinten oben idealerweise über diese Latte. Das Gewicht ist bis zu 25kg schwer und die besten schaffen mehr als 5 Meter. Das ist durchaus beeindruckend. Eine ganze Reihe von anderen Wettbewerben ähnelt dem Kugelstossen, nur eben nicht mit Kugel, sondern mit einem etwas unförmigen Stein, Gewicht bis zu 13 Kilo. Auch nicht uninteressant. Tug-o-war ist eine der populärsten Disziplinen – es handelt sich um Tauziehen. Zwei Teams, sieben (glaube ich) Mann stark (Entschuldigung, auch hier keine Frauen; Frauen sind hauptsächlich in den Laufdisziplinen am Start, die sind aber wiederum nicht so schottisch) ziehen dann an diesem Tau bis eine Seite gewonnen hat. Sieht spektakulär aus, die Jungs stehen fast waagerecht, stemmen sich mit ihren klobigen Wanderstiefeln in den Boden und insgesamt muskulös aus. Es gibt einen “Trainer”; allerdings bin ich nicht sicher, ob der einfach nur anfeuert oder ob es da ausgefeilte Taktiken gibt. Von diesem Tauziehen gibt es dann ganz viele Runden und am Ende ein Finale, in denen der Sieger dann sehr bejubelt wird. Mein Favorit war aber, vermutlich erwartbar, caber toss – Baumstammwerfen. Hier geht es darum, einen Baumstamm von nicht unerheblicher Länge und von nicht unerheblichen Gewicht – der schwerste, der sogenannte Braemar caber, ist 6 Meter lang und 60 kg schwer, zunächst hochzuheben, ihn dann auf dem einen Ende in seinen Händen zu balancieren, dann anzulaufen und das Ding zu werfen – in der Art, dass er sich überschlägt; er muss also auf dem anderen Ende landen und dann nach vorne – oder vom Werfenden weg – fallen. Falls dass alles geschafft wurde, dann ist es ein gültiger Versuch. Am Ende, in dem Finale, gab es zwei kräftige Männer, die es schafften und einer sogar zweimal; der hat somit gewonnen.

 

So weit, so lustig. Was ich insgesamt allerdings einigermassen irritierend fand war dass es eine ganze Reihe von Referenzen zum Militär gab. Zum einen repräsentierten die meisten der Teams beim Tauziehen oder auch beim Staffellauf irgendwelche Einheiten der britischen Streitkräfte. Zum anderen wurde an einer Stelle, ich glaube das war als die Dudelsackkapelle der Royal Air Force aufspielte, selbige in den höchsten Tönen gelobt. “Grüße und Dank an die angesehenste, effizienteste und beste Luftwaffe der Welt” oder so. Und hier, wie auch bei anderen Festen und Treffen, ist ganz natürlich die Armee anwesend und rekrutiert Nachwuchs – “no ordinary job”. Ich weiss nicht, mein Ding ist das nicht. 

Ja, und zum Ende muss ich natürlich noch über die Queen reden oder das Königshaus im Allgemeinen. Jenes hat ja – aus traditionellen Gründen, angefangen hat das unter Queen Victoria im 19. Jahrhundert – eine Vorliebe für Schottland. Von August bis zum Ende des Sommers hält sich die Queen und vermutlich auch einige andere Mitglieder des Hauses üblicherweise in ihrem Schloss in den Highlands auf – Balmoral Castle, eine Stunde westlich von Aberdeen (auch da bin ich bislang noch nicht gewesen und da im Augenblick ja die Queen da ist, kann man das Schloss auch nicht besuchen; nächstes Jahr dann). Summer in Scotland mag also nicht nur ich. Und da es von dem Schloss zu den Spielen nur ein Katzensprung ist kommt die Queen regelmässig vorbei.

Dies spielt sich dann folgendermassen ab. An prominenter Position, neben der eigentlichen Haupttribüne steht eine weitere kleinere, aber schicke Tribüne, der sogenannte Royal Pavillon. In dem stehen ein paar Klappstühle, die eigentlich recht schäbig aussehen, jedenfalls aus der Entfernung aus der ich das sehen konnte. Dazu kommen dann drei weitere Stühle, die etwas besser aussehen. Ganz am Anfang, also um 9.30 Uhr, wenn die Spiele beginnen, ist die Queen noch nicht da. Immer mal wieder laufen dann irgendwelche Leute in diesen Pavillon hinein und kommen auch wieder heraus, die Queen ist es aber nicht; bis zum Mittag nicht und auch nicht am frühen Nachmittag. Eigentlich ja nicht schön, so viele spannende Wettbewerbe, im Übrigen auch sehr interessante schottische Tänze; all das verpasst die Queen. Ich habe mich dann natürlich gefragt, ob es irgendwelche Anzeichen geben würde an denen man erkennt, dass sie kommt. Und dann kam dieses Zeichen: dieser Herr mit dem Staubsauger. Der Herr mit dem Staubsauger staubsaugt sorgfältig den Pavillon, zunächst den Boden, dann aber auch an einem der Fenster, vermutlich war da ein Spinnennetz. Nach dem Herrn mit dem Staubsauger kam dann noch ein anderer Herr – oder war es der gleiche – mit einem Handfeger, für den Feinschliff, und die Sitzkissen auf den drei schickeren Stühlen werden noch einmal gerade gerückt. Jetzt geht es also los dachte ich mir und dann plötzlich rennen 15 Photographen mit ihren Kameras auf den Pavillon zu und beziehen Stellung. Jetzt also. Ja, jetzt, sagte die Dame neben mir, die Strasse ist ja auch schon abgesperrt. Und dann kam die Durchsage, dass jetzt die Queen kommt. Natürlich freut sich der Veranstalter sehr, dass sie wie immer kommt und, auch vermutlich wie immer, Begrüßen alle ganz herzlich die Queen und stehen auf und singen die Nationalhymne. God Save the Queen. Hat die Queen ja vermutlich schon viele Male gehört. Sie kommt dann also, in einem schicken Auto; Rolls Royce glaube ich, begleitet von zwei eher funktionalen Land Rovern. Oder Range Rover? Wie auch immer. Sie steigt dann aus und schüttelt verschiedene Hände und setzt sich irgendwann hin und dann wird gesungen und dann gehen tatsächlich die Spiele weiter, die waren jetzt ja schon für 20 Minuten oder so unterbrochen, all die spannenden Wettbewerbe. Prinz Charles war übrigens auch da und noch jemand, ich weiss nicht genau wer, die saßen dann auf den drei besseen Stühlen. Ich habe mich dann gefragt wie die Queen den Charles wohl anspricht, wenn sie etwas von ihm will. Einfach Charles? Oder Prinz? Naja, vermutlich nicht so wichtig. Am Ende hat die Queen dann noch ein neues Gebäude eingeweiht, so lange bin ich dann aber nicht geblieben, wie so ein Fussballfan, wenn kurz vor Schluss das 0:2 fällt und man ja nicht im Verkehr stecken bleiben will. So sehr scheine ich die Queen dann also doch nicht zu mögen. 

Zu diesen Spielen fahre ich aber bestimmt wieder!

Summer in Scotland
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