4:0
Estelí, Estadio Independencia, 15. Dez. 2012
Zuschauer: 5.000

Dieser Bericht hat seine Zeit gedauert, aber so ist das eben.

Es hat ja damals auch gedauert, bis wir überhaupt herausfanden, wann das Endspiel um die nicaraguanische Fußballmeisterschaft stattfindet und wo. Nicaragua ist ein Land des Beis– und nicht des Fußballs. Sogar auf der offiziellen Homepage des Verbandes war nichts Verbindliches zu finden. Bezeichnend, dass ausgerechnet eine Wettseite Informationen lieferte, die uns so verlässlich erschienen, um uns auf eine dreistündige Taxifahrt in den Norden aufzumachen – einen spektakulären Trip durchs Hochland auf der Interamericana, die Nord- und Südamerika miteinander verbindet. Umso perplexer waren wir, als uns auf halbem Weg ein in rot und schwarz gehaltenes Vehikel mit Walter-Ferretti-Schriftzug entgegenkam, bei dem es sich nach menschlichem Ermessen nur um den Mannschaftsbus handeln konnte, offensichtlich auf dem Weg zurück nach Managua! Wir sind einfach weitergefahren – was hätten wir auch tun sollen? – in gedämpfter Stimmung allerdings und mit einer nur noch sehr vagen Resthoffnung, an diesem Tag ein Fußballspiel zu sehen.
Ich wundere mich noch heute darüber, dass das Spiel dann doch stattfand. Und ich hätte zu gerne eine Erklärung für die Vorgänge, fürchte jedoch, dass ich dieses Rätsel mit ins Grab nehmen werde.

       

Die Reise nach Estelí hätte sich wahrscheinlich schon wegen der Fahrt gelohnt, mit Spiel war sie natürlich umso besser. Am Stadion fand unser Taxler den perfekten Parkplatz (nach dem Spiel stellte sich heraus, dass wir direkt vor dem Auswärtssektor standen, eingerahmt von Polizeibussen und bewacht von einer Menge behelmter Helden), Tickets gab es direkt vor Ort für 2 Dollar das Stück zu kaufen. Dann mussten wir noch Tröten erwerben, denn Trötenverkäufer sind zu hartnäckig, um sie auf Dauer zu ignorieren. Und weil wir noch ordentlich Zeit hatten, ging es in eine Kneipe auf der anderen Straßenseite, es gab Pommes und Bier und geraucht wurde auch, was das Zeug hielt. Immer dabei: Jorge, unser Fahrer, der sich für vieles interessierte, Beisbol gehörte auch dazu, Fußball leider nicht.

  

  

  

Nach schier endlosem Anstehen in einer schier endlosen Schlange – die Leute waren erstaunlicherweise äußerst britische Schlangesteher – kamen wir gerade rechtzeitig ins Stadion, ergatterten einen Platz ganz am Rande der Geraden und hatten so einen perfekten Blick sowohl aufs Spielfeld als auch auf die Bier- und Tortillastände unter uns in der Ecke. Und, was soll ich sagen: Am Bierausschank ging es disziplinierter und professioneller zu als auf dem (Kunst-)Rasen, oder, um es wie mein bisweilen um Fassung ringender Begleiter San Miguel zu formulieren: „Schau, no a Gwamperter!“ Auf dem Spielfeld also maximal Bayernliganiveau, auf den Rängen jedoch wurde gefeiert und geballert, dass es eine reine Freude war. Was sind schon Bengalos? Hier gingen ständig Raketen nach oben, an irgendeiner Ecke des Stadions knallte es immer, und alle hatten ihren Spaß. Alle, außer die mitgereisten Fans von Deportivo Walter Ferretti, denn ihr Team hatte nach dem 0:0 im Hinspiel eine Woche zuvor nun nur wenig zuzusetzen. 4:0 hieß es am Ende für Real Estelí. Nach dem letzten Tor der Rot-Weißen konnte einer der Ehrengäste nicht mehr an sich halten und feuerte seinen weißen Plastikstuhl von der Tribüne auf die jubelnde Spielertraube herab. Es schien niemanden zu stören.

      

  

       

  

Meine alte Rede: Willst du etwas über die Kultur eines Landes erfahren und willst du wissen, wie die Leute unterwegs sind, geh zum Fußball. Immer, egal wo du bist. Egal, ob es das Endspiel um die Meisterschaft ist oder ein Freundschaftskick. Ob 58.000 Zuschauer da sind oder nur zwölf. Egal. Geh zum Fußball!

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alteheide

Real Estelí F.C. S.A vs. C.D. Walter Ferretti
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